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Ort: Bregenz
Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber auf der Seebühne Bregenz
Am 10.08.2024 war es endlich soweit: Der 22-sitzige Bus fuhr pünktlich vom Parkplatz vor den Donauhallen ab, nahm den bekannten Weg in Richtung Bodensee und zum ersten Etappenziel – dem Kloster Birnau.
Ein Raunen begleitete diesen ersten Fahrtabschnitt, denn so ganz sicher war sich wohl keiner (auch der Fahrer nicht), ob es der kleine Reisebus bis Bregenz schaffen würde. Des Rätsels Lösung für all die merkwürdigen Geräusche wie auch die zum Teil geringe Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h fand sich in der Motorsteuerung – das Freibrennen des Partikelfilters war der Grund der Störung.
Die kleine Pause an der Wallfahrtskirche mit einem Gläschen Sekt, einem Stück Hefezopf und dem Blick ins Kirchenschiff der Wallfahrtskirche wie auf den von der Sonne verwöhnten Bodensee ließ auch den Bus – man möchte fast schreiben – „genesen“. Jedenfalls spurtete dieser dann ungebremst und mit normaler Geräuschkulisse nach Bregenz.
Recht früh vor Ort angekommen, ergab sich für alle Opernfreundinnen und -freunde noch die Möglichkeit zu einem kleinen Spaziergang und/ oder zur leiblichen Stärkung, bevor es an der Zeit war, die „wirklich tollen Plätze“ (Anm. der Teilnehmer*innen) einzunehmen.
Hm…. Und nun beginnt das Problem dieses Rückblickes: Nicht, dass das Bühnenbild – siehe oben – langweilig daherkam oder die aufkommende Abendstimmung am See durch Wolken eingetrübt wurde. Nicht, dass Musik und Gesang verfehlt waren oder die Akteure einen unglücklichen Abend erwischt hatten. Und auch nicht, dass dem Auge wie den Ohren nichts geboten wurde. Nur: Ist dies noch die Oper, die wohl den meisten Zuschauer*innen der komplett gefüllten Ränge bekannt ist?
Gut: Bregenz sprengte mit der einen oder anderen technischen Besonderheit (z. B. dem riesigen, sich bewegenden Kopf – „Rigoletto“), dem einen oder anderen heraushebenden Fingerzeig (z. B. der Fahnenmast mit dem Sternenbanner inmitten eines schwebend-leichten Seidentuchs – „Madam Butterfly“) und/ oder dem einen oder anderen überdimensionierten Bühnenbild (z. B. chinesische Mauer – „Turandot“) schon immer die üblichen Umsetzungen von Opernkulissen. Bregenz favorisiert halt ein bühnenbildnerisches Motto von „mehr ist mehr“.
Man darf zudem auch sicher sein, dass frühere Realisationen von Oper auch nicht immer akribisch der Vorlage gefolgt sind. Doch in der aktuellen Umsetzung von Oper – dem Freischütz – werden nicht nur Text und Musik den Vorstellungen des Regisseurs Philipp Stölzel angepasst, auch die ursprüngliche Handlungsfolge wird gleich zu Beginn durchbrochen (Assoziation u.a. Prequel der Hobbit- oder der Star Wars-Trilogien), um eine andere Gewichtung des Endes zu ermöglichen. Überdies werden Figuren eingeführt, die nicht der Handlung, sondern dem Erschaudern der Zuschauer*innen dienen sollen (Assoziation u.a. an die verfallene Festung und die untoten Gestalten aus „Nacht der reitenden Leichen“). Nicht zuletzt wird auch mit bekannten religiösen Motiven gespielt (Assoziation u.a. an Szenen aus „Der Exorzist“).
Und so wird aus der bekannten Oper „Der Freischütz“, getragen von Sängerinnen und Sängern, von Orchester, Chor und Ballett, jetzt eine Dialogoper im Sinne eines Fantasie-Videos. Auch wenn dies in der Person des „Samiel“ als Drahtzieher des Geschehens (Moritz von Treuenfels) spielerisch und witzig umgesetzt und zum Teil von Akkordeon, Kontrabass und Cembalo begleitet wird, geht doch die eigentliche schöpferische Idee des Komponisten vollkommen unter.
Dass gegen Ende gar Wassernixen zum Einsatz kommen, die einen beleuchteten Sternenkranz am Kopf tragen, lässt dann auch den Verdacht aufkommen, dass es dem Regisseur Philipp Stölzl nicht nur darum ging, „aus dem ewigen Hitreigen von Tosca, Aida, La Traviata, Carmen, Turandot und Butterfly auszubrechen“1, sondern aus dem durchaus biederen Stoff des Freischütz ein massentaugliches Werk – eine Dialogoper – zu formen, welches das Rund der Bregenzer Seebühne auf jeden Fall zu füllen vermag. Und damit waren wir alle in der „prall gefüllten Wunderkammer der (Puppen-)Theater- und Trickfilmgeschichte der Shows, Musicals und kindertauglichen Gespensterbilderbücher“2 und den entsprechenden Geschichten angekommen.
Da bleibt es nicht aus, dass auch die Moral von der G’schicht nicht mehr wiederzuerkennen ist: Weber und seinem Librettisten stand vor Augen, „den Kampf zwischen himmlischen und höllischen Mächten“ [sowie] den Sieg des Guten über das Böse“3 aufzuzeigen. Hier jedoch war „Showtime“ angesagt – spektakulär gemacht, ohne Zweifel und gar mit einem „Happy End“. Es hat sicher auch allen – insbesondere durch des Teufels Sprachspielereien – Freude bereitet. Aber Freischütz…?
Vielleicht ein kleines Indiz für die Freude auf der einen, aber auch die Kurzlebigkeit des Eindrucks auf der anderen Seite bot der Applaus. Er fiel kräftig aus, entsprach der Begeisterung des Moments, doch fehlte es ihm an der üblichen Nachhaltigkeit: Eine Verneigung der Akteure reichte – mehr gab es nicht zu beklatschen.
Oder um es mit den Worten einer der Liebhaberinnen von Oper zu schreiben: „Nun habe ich dies auch erlebt und kann mitreden.“ In Summe (und aus meiner Sicht): Es war ein sehr unterhaltsamer Abend, auch wenn die Frage erlaubt sein darf, warum nicht eine grundlegend „Neue Oper“ kreieren und diese dann „zur Schau“ stellen?
Die Rückfahrt jedenfalls gestaltete sich absolut unproblematisch und wenn es hier ein Raunen gab, dann angesichts der vielerlei Diskussionen und Abwägungen des an diesem Abend Gesehenen, Erlebten, Gehörten…
(Zitate aus der Rezension von Dr. Ingeborg Waltenberger1,2 [OnlineMerker] und von Thomas Schacher3 [bachtrack])