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Ort: Baden-Baden
Der Ballettabend schloss mit stehenden Ovationen für das komplette Ensemble und nicht zuletzt für John Neumeier selbst. Es war wirklich ein perfekter Abend des Balletts, des modernen Tanzes!
Doch beginnen wir mit dem Start der 21 Ballettbegeisterten am 01.10.2023 pünktlich um 13:00 Uhr in Donaueschingen. Die Karten für die Einführung wie die Vorstellung waren schnell verteilt, die Plätze in den Fahrzeugen eingenommen und schon ging es in Richtung Baden-Baden. Pünktlich erreichte die Gruppe das Festspielhaus, doch der uns zuvor telefonisch zugewiesene Parkplatz war bereits belegt – die Suche nach Parkraum für zwei Kleinbusse begann. Und so kam es, dass ein Teil von uns erst verspätet in den Genuss der Einführung kam. Einige lauschten dieser vom weitläufigen Treppenhaus aus, was angesichts des Ansturms weiterer Besucher leider nicht wirklich gelang.
Aber der Vorfreude bereitete dieses kleine Missgeschick keinen Abbruch, konnten doch alle Teilnehmer*innen zwischen Einführung und Beginn der Vorstellung im reservierten Bereich des Bistros eine kleine Pause genießen.
Frisch gestärkt und erwartungsvoll sah man nun den „Choreografischen Episoden zu Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll“ von John Neumeier entgegen:
Ein junger Soldat (Louis Musin) geht über die Bühne, fällt, bleibt fast regungslos liegen. Das Licht im Zuschauerraum erlischt. Musik setzt ein. Eine namenlose Figur, die uns anfänglich als ein Reisender, dann als Erzähler und mit dem zweiten Aufzug als „ER“ (Aleix Martinez) durch den Ballettabend führen wird, tritt hinzu. Begleitet von einem Fotografen (Lennard Giesenberg) und einer Witwe (Anna Laudere), nimmt uns der Reisende durch die in Szene gesetzte „Wirklichkeit des Krieges“ mit – in seiner Hand ein Koffer voller Fotos und Lebenserinnerungen. Soldaten – Kindersoldaten – treten hinzu, fallen, um zu sterben. Rot gekleidete Frauen mit geöffneten Armen wenden sich den Soldaten zu. Doch ein Wechsel vollzieht sich, treten doch zunehmend in weiß gekleidete Engel hinzu, die in ihrem fast spielerischen Tanz Frieden möglich erscheinen lassen.
Es ist eine bildgewaltige Inszenierung (John Neumeier) mit vielerlei Anspielungen auf die Entwicklung des Christentums, die Entwicklung des Glaubens im Spiegel der Realität. Auf die Bühne gebracht vom Hamburg Ballett, famos untermalt vom Freiburger Barockorchester und dem Vocalensemble Rastatt sowie sechs Solisten1. Es sind Momentaufnahmen, die uns durch das Ordinarium der großen Messe in h-Moll mit ihren vier Teilen führen: Missa (Kyrie und Gloria), Symbolum Nicenum (Credo), Sanctus und Osanna, Benediktus, Agnus Die und Dona nobis pacem.
Ohne eine Erzählebene, die den anderen religiös inspirierten Musikwerken Bachs eigen war, z. B. der Matthäuspassion (1981) oder dem Weihnachtsoratorium (2007), schuf John Neumeier eine mitreißende Choreographie, die in ihren episodischen Umsetzungen und den so erzeugten Bildern aber auch Fragen beim Publikum aufwarf. Das zeigte sich recht deutlich in den anschließend geführten Gesprächen im Bistro wie auch auf der Rückfahrt.
Beispielsweise erschien manchem gerade das Abschlussbild, nämlich der von „IHM“ unternommene, sehr lang anhaltende Weg ins Licht zu langatmig umgesetzt. Aber ist es nicht eher so, dass dieser Weg noch viel länger ist, als er anmutet(e), wenn wir uns die Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie die Vertreibung von Menschen, die wahnwitzigen terroristischen Aktivitäten und die aktuell tobenden Kriege vergegenwärtigen. Erscheint da nicht vielmehr die inständig vorgetragene Bitte um Frieden in der Welt naiv.
Der Weg – ins Licht, zum Frieden – ist wohl doch noch sehr viel länger; dennoch – es bleibt die Sehnsucht: Dona Nobis Pacem.
1Die Solisten waren: Maria-Sophie Pollak (Sopran I), Sophie Harmsen (Sopran II), Benno Schachtner (Altus), Julian Prégardien (Tenor), Konstantin Ingenpass (Bass) und Matthias Winckhler (Bass) unter der musikalischen Leitung von Holger Speck